Feedback mit dem Wertequadrat

„Wie gefällt dir meine neue Frisur?“, „Was hältst du von meinem neuen Freund?“ oder auch „Wie ist deine Meinung zu unserer Strategie?“ – diese und ähnliche Fragen bringen mich (manchmal) in ein Wertedilemma, zumindest, wenn ich meinem Gegenüber nicht voll zustimmen kann. Ehrlich sein oder zurückhaltend bleiben?

Das Werte- und Entwicklungsquadrat vom Psychologen Friedmann Schulz von Thun ist weniger bekannt als sein 4-Seiten-einer-Nachricht-Modell; ich halte es dennoch für mindestens genauso nützlich: Grundgedanke ist, zwei vermeidlich entgegengesetzte Wertbegriffe als eng verwandt zu erkennen – sie sind die beiden Seiten derselben Medaille:

Was bringt es? Durch die Brille dieses Modells sehe ich die Position meines Gegenübers nicht mehr als Gegenpol, sondern anerkenne sie als die gleiche Tugend / Schwestertugend meines Werts. Ebenso erkenne ich die „Übertreibung“ meines eigenen Wertvorstellung („unsensibel sein“ bei Ehrlichkeit und „Oberflächlichkeit“ bei Taktgefühl). Weitere Beispiele, die mir schon begegnet sind:

Was passiert im Konfliktfall? Statt wertschätzend die Schwestertugend anzuerkennen, neigen wir dazu, die „Schattenseite“ der Schwestertugend zu sehen:

Wie kann ich diese Logik für wertschätzendes Feedback nutzen?

Wenn ich Feedback gebe, habe ich mir meist die beiden Seiten der zur Diskussion stehenden Tugend vor Augen geführt. Ich kann daher mit einer Anerkennung der Position meines Gegenübers beginnen. Anschließend kann ich meine Sorge zum Ausdruck bringen, wie sich die Übertreibung dieser Tugend auswirkt. Im dritten Schritt kann ich meine Position hinzufügen und aus der Dualität (Tugend und ihr Zuviel) das Wertequadrat machen. Dies ist eine wunderbare Gesprächsgrundlage um zumindest ein besseres Verständnis füreinander zu erreichen.

Persönlich war ich überrascht, wie viele Konflikte, die zunächst auf der Sachebene diskutiert werden, sich als Wertekonflikte herausstellen.

Regenbogenqualität: die Aufhebung von Gegensätzen

Was heißt das für die Frage vom Beginn dieses Kapitels? Die Königsdisziplin ist die sogenannte „Regenbogenqualität“, der Name spielt auf den Zauber an, wenn zwei Qualitäten sich miteinander vereinigen (Sonne & Regen), die in einer gewissen Gegensatzspannung zueinander stehen. Heißt, ich kann versuchen, in einem heiklen Gespräch sehr ehrlich und sehr taktvoll zugleich sein. Klappt das? Ich für mich kann sagen: natürlich klappt es nicht immer. Aber mit Hilfe des Wertequadrats gelingt es immer wieder. Teste es mal! 😉